Rezension
Grundsätzlich stimmt es schon: Es gelang dem Management bei Columbia nicht, die Identität dieser Sängerin zu finden, wie das wenige Jahre später Atlantics Jerry Wechsler tat. Man wußte wohl: Man hatte ein Ausnahmetalent verpflichtet, aber das optimale musikalische Setting dafür war noch nicht gefunden. Dennoch gelangen der unglaublichen Sängerin auch in jenen Jahren ausgezeichnete Aufnahmen! Auf Albumlänge wohl am dichtesten hier: Die große Dinah hatte die junge Aretha im Jahr zuvor erstmals gehört und attestierte: „That girl has got soul.“ Hier nun verbeugt sich der Nachwuchsstar vor der Legende – mit Respekt, aber voller Selbstbewußtsein. Keine glühend heiße Band wie Ende des Jahrzehnts begleitet sie hier, sondern ein großes Orchester (Leitung und Arrangements: Robert Mersey) mit einigen sehr guten Jazzern darin (Teddy Charles, George Duvivier). Doch es herrscht zu keiner Sekunde Zweifel daran, wer die Szene beherrscht. Aretha macht die Songs der großen Kollegin sehr souverän zu ihren eigenen – und legt dabei ein paar Vokal-Performances hin, bei denen manch spätere sogenannte R’n’B-Diva nur zugucken kann. Einen Vorgeschmack auf things to come gibt die Schlußnummer „Soulville“: Eine Studiogeburt zwar – der Background-Chor besteht aus lauter Arethas – aber der Groove und die unglaubliche Energie greifen den Atlantic-Aufnahmen voraus! (1964/2022)