Rezension
Fünf Jahre liegt ihr letztes Recital-Album bereits zurück. Genug Zeit, um einer Stimme einen Reifungsprozess anzumerken. Der macht sich hier vor allem in den tieferen Lagen bemerkbar: Die Stimme ist da spürbar fülliger geworden, ohne ihre Leuchtkraft in den Höhen verloren zu haben. Schöne Beispiele dafür: „Akh, istomilas ya gorem“ aus Tschaikowskys „Pique Dame“ oder die „Lohengrin“-Arie „Einsam in trüben Tagen“. Das italienische Repertoire („Aida“, „Don Carlos“, „Manon Lescaut“, „Madama Butterfly“) ist natürlich glanzvoll wie eh und je, „Un bel di vedremo“ zählt sogar zu den schönsten Netrebko-Momenten auf Schallplatte. Den eigentlichen Reiz des Albums machen indes die Abstecher in neues und teils unerwartetes Repertoire aus: Etwa „Es gibt ein Reich“ aus „Adriane auf Naxos“ (hier hört man die Sängerin erstmals in einer Strauss-Oper), mehr noch ihre erste Barock-Aufnahme: „When I’m Laid In Earth“, der niederschmetternde finale Klagegesang der Titelheldin aus Purcells „Dido And Aeneas“ zeigt, daß Anna Netrebko mit 50 mehr denn je zu den größten und: flexibelsten lebenden Sopranistinnen zählt… (2021)