Rezension
Der gebürtige Athener sieht nicht nur so aus, als hätte er auch Nick Cave werden können. Er hat auch eine seinem Kleidungsstil entsprechende Neigung zu den dunkelsten Momenten in der klassischen Musik; und je näher ein Werk der Hölle oder dem Zusammenbruch steht, desto hingebungsvoller wird er es zelebrieren – als Beispiele seien seine unglaublichen Aufnahmen des „Don Giovanni“ oder Tschaikowskys Sechster genannt. Natürlich mußte als nächstes Mahler kommen, und natürlich wählte Currentzis unter den neuneinhalb Symphonien diejenige mit den bodenlosesten Abgründen. Und ebenso natürlich scheint das Werk nur auf ihn gewartet zu haben. Nie klang das Scherzo böser und teuflischer, nie wirkte die Schönheit des Adagiosatzes trügerischer. Und das Finale führt direkt in die entsetzlichsten Pfuhle der Unterwelt. Das vielbesungene Mahlersche Epos hingegen findet kaum statt, Currentzis läßt sein wieder einmal Übermenschliches leistendes Orchester sehr straff spielen, ohne Ballast – Mahlerianer bekommen da einigen Diskussionsstoff. Von Karajans Werkauffassung oder auch der des späten Bernsteins könnte das kaum weiter entfernt sein. An Spannung aber ist dieser buchstäblich niederschmetternd endende Psycho-Horror allerdings kaum zu überbieten, und zartbesaitete Menschen oder gar solche mit suizidalen Neigungen sollten einen sehr weiten Bogen um diese Einspielung machen. (2018)