Rezension
Nach den bisherigen Alben des Isländers durfte man davon ausgehen, daß sein Mozart nicht dem üblichen Bild entspricht. Tatsächlich wäre das schon sehr vorsichtig formuliert: Ólafssons Mozart-Bild ist radikal anders. Natürlich nicht im Sinne von lauter oder schneller, Ólafsson provoziert auf andere Art. Mit seinem kristallinen Anschlag und erstaunlicher Herausarbeitung der Polyphonie deckt er eine unerwartete Verwandtschaft zu Bach auf, der Ton ist nachdenklich; man könnte von “Meditationen über Mozart” sprechen. Zu Lasten des Mozartschen Esprits geht sein Ansatz seltsamerweise nicht, eine wahre Quadratur des Kreises. Beziehungsweise eine Darstellung auch der Zerrissenheit in der Seele des Komponisten, dessen dunkle Seite sich ja keineswegs nur im Requiem oder im Don Giovanni zeigt. Sondern, wie man hier erfährt, etwa auch in der 14. seiner Klaviersonaten, ohnedies ein visionäres Stück – selten war der Vorgriff auf Beethoven so deutlich herauszuhören. Deren “Gegenpart” sozusagen ist die Sonate Nr. 16 (“Sonata Facile”), die freilich unter Ólafssons Händen auch ungeahnten Tiefgang entwickelt. Diesen beiden Hauptwerken stellt der Pianist noch etliche Miniaturen an die Seite, nebst einer ebenfalls sehr bemerkenswerten Haydn-Sonate und weiteren Kurzwerken anderer Mozart-Zeitgenossen, namentlich Carl Philipp Emanuel Bach, Domenico Cimarosa und des wenig bekannten, damals als Opernkomponist aber sehr populären Baldassare Galuppi, mit dessen Andante Spiritoso aus der 9. Klaviersonate das Programm auf eine Weise eingeleitet wird, die das Weiterhören nicht zur Pflicht, sondern zum unbedingten Bedürfnis macht… (2021)