Rezension

Es gibt nicht so viele Platten, mit denen sich die Musikwelt radikal veränderte – dies ist eine davon. Nicht, daß sie unvorbereitet gekommen wäre, es war ja kein Debüt. Aber die Auswirkungen von „Nevermind“ ließen sich in dieser Form nicht annähernd abschätzen. Mit einem Schlag wurde die Popwelt nicht mehr von gestylten Typen mit Keyboards dominiert, sondern von langhaarigen Flanellhemdenträgern mit kaputten Jeans – und die elektrische Gitarre holte sich zurück, was ihr gehörte, auch wenn sie dabei deutlich andere Töne als einst in den 70ern anschlug. Grunge war ab sofort kein Underground-Phänomen mehr, sondern Mainstream, mit allen Konsequenzen – von den unzähligen mittelmäßigen Nachahmern, die sofort mit Plattenverträgen überschüttet wurden, bis zu einem Kurt Cobain, der mit seiner Rolle als Jugend-Ikone in keiner Weise zurechtkam. Mindestens seit Joy Division war Rockmusik nicht so abgründig und aufwühlend wie hier; und daß man hört, daß die Band trotz allem noch ihren Spaß an der Sache hatte („Breed“ oder „Territorial Pissings“ sind echter Rock’n’Roll-Überschwang), schmälert die Intensität nicht, sondern verstärkt sie… Die limitierte Geburtstagsausgabe ist nicht nur neu gemastert und aufwendig verpackt, sondern enthält als Bonus eine Single mit spannendem Programm: „Endless / Nameless“, „Even In His Youth“ und „Aneurysm“! Eine Acht-LP-Box mit reichlich unveröffentlichtem Live-Material wurde aufgrund der derzeitigen Produktionsengpässe ins kommende Jahr verschoben. (1991/2021)