Rezension
Weiche Klavierakkorde, Akustikgitarren wie von weit weg, Adam Granduciels zärtlicher Gesang, später dann noch ein vorsichtiges Schlagzeug und ein elektrisches Gitarrensolo, in dem mit wenigen Tönen alles gesagt wird. Das ist „Living Proof“, der Song, mit dem das fünfte The War On Drugs-Album beginnt, jener Band, die man immer besser mit nur einem Wort beschreiben kann: Atmosphäre. Natürlich ist das nicht alles, denn Granduciels Songs haben meist auch zwingende Melodien, sind sofort wiedererkennbar, und sie zeugen von einem tiefen musikalischen Verständnis, Songwriter-Tradition und Blue Collar-Americana ebenso betreffend wie den Radio-Pop der 80er; Springsteen ist hier ganz dicht neben den späten Fleetwood Mac, Bob Dylan neben Phil Collins, und wer da nach Naht- oder gar Bruchstellen sucht, wird keine finden. Noch ein Name muß genannt werden, spätestens mit dem vierten Song („I Don’t Wanna Wait“): Mark Hollis. Das Talk Talk-Genie hat sich sozusagen durch die Hintertür eingeschlichen, und man darf davon ausgehen, daß er bleibt. Wer die letzten drei Alben dieser Band am Stück hört, wird eine entsprechende Entwicklung nicht leugnen können. Bleibt nur zu hoffen, daß auf dem Weg zum Nirvana (letzte Vorstufe: Hollis‘ selbstbetiteltes Soloalbum) noch viele Zwischenschritte folgen, denn größere Alben macht derzeit niemand. (2021)