Rezension
Ari Balouzian, ein klassisch ausgebildeter Musiker und Komponist, schrieb vor einigen Jahren Musik zu einem Film, zu dem eine junge Frau namens Juliana Giraffe das Drehbuch geschrieben hatte. Der gefiel Balouzians Musik so gut, daß sie versuchsweise dazu sang und ihm die Ergebnisse schickte: Midnight Sister waren geboren. Schon das 2017er Debüt „Saturn Over Sunset“ war ein kleines Kammer-Pop-Meisterwerk; auf dem Nachfolger weitet das Duo sein Universum deutlich aus: Girl Group- und klassischer Westcoast-Pop in Twin Peaks-Atmosphäre („Doctor Says“); „Sirens“ evoziert Disco und wartet im Refrain mit unwirklichen Bläsern auf; andernorts fließen Giraffes argentinische Wurzeln ein. Zur grundsätzlichen musikalischen Vielfalt kommen Balouzians genialische Arrangements: Synthesizer kommen da ebenso vor wie tiefe Holzbläser, Steel Guitar, Ukulele und Streicher wie aus alten Hollywood-Scores. Allein für das Setting des abschließenden Titelsongs müßten Kollegen eigentlich vor Bazoulians Tür Schlange stehen: Derartige Meisterschaft hört man selten, da muß man schon Namen wie Van Dyke Parks, Brian Wilson oder Randy Newman anführen. Wobei Balouzian eine ganz eigene Handschrift hat – und das seltsame, tiefergelegte Hauchen Giraffes einiges zur unwirklichen Atmosphäre, die im selben Moment synthetisch wie organisch wirken kann, beiträgt. Erstes großes Pop-Highlight seines Jahrgangs! (2021)