Rezension
Die Zwillinge (genau das bedeutet der Bandname in der Yoruba-Sprache) Lisa-Kaindé und Naomi Diaz sind die auf Kuba geborenen, doch überwiegend in Paris aufgewachsenen Töchter des genialen Perkussionisten Anga Diaz (Irakere, Buena Vista Social Club), der 2006 überraschend mit Mitte 40 starb, als seine Töchter gerade elf Jahre alt waren. Das gemeinsame Musikmachen half den Schwestern, den Verlust zu verarbeiten; ihre Mutter, die französisch-venezolanische Sängerin Maya Dagnino, unterstützte sie nach Kräften und brachte ihnen ihre kulturellen Wurzeln nahe. Die afro-kubanische Yoruba-Kultur und -Sprache spielt denn auch eine tragende Rolle auf dem Ibeyi-Debüt: Die Stimmen der Schwestern stehen im Fokus, an zweiter Stelle kommt der Rhythmus (Naomi spielt die traditionellen kubanischen Instrumente Cajón und Batá). Lisa steuert neben dem Leadgesang auch noch zart-sparsames Klavierspiel bei. Doch ist das nicht alles – denn Ibeyi sind alles andere als ein Folklore-Duo. Sie schließen ihre Wurzeln mit der musikalischen Gegenwart kurz, XL-Labelchef und Produzent Richard Russell hat diesbezüglich einen nicht zu unterschätzenden Anteil an diesem unwirklichen, manchmal fast unheimlichen Album, das klingt wie nichts anderes und mit dem Etikett „doom soul“ nur sehr unzureichend beschrieben ist. Ritual-Gesänge, Jazz und elektronischer Pop gehen hier Hand in Hand, das Ergebnis muß man definitiv selbst hören. Gewidmet ist das Album ihrem Vater; der besonders unter die Haut gehende Track „Yanira“ ihrer 2013 verstorbenen älteren Schwester. Man spürt die emotionale Kraft allenthalben. Dieses Album lässt einen so schnell nicht mehr los. (2015)