Rezension
Die aktuelle Jazz-Avantgarde zeigt oft eine deutliche Verbundenheit zu den Wurzeln der Gattung in New Orleans. Roswell Rudd allerdings tat dies schon in aller Deutlichkeit sechs Dekaden zuvor: Als Student war der Posaunist Teil des Dixieland-Revivals der 1950er, wenige Jahre später spielte er mit den Pionieren des Free Jazz. Wie eng bei ihm Oldtime und Avantgarde stets zueinander standen, zeigt sich ganz wunderbar in diesem grandiosen, erstmals veröffentlichten Live-Mitschnitt aus dem Jahre 2004! Mehr als ungewöhnlich schon die Besetzung: Posaune und Akustikgitarre – Punkt. Letztere gespielt vom eine knappe Generation jüngeren Duck Baker, auch er ein Meister in vielen Stilen, vom Ragtime über schottischen Folk bis zum Free. Brüder im Geiste mithin, die sich leider erst 1999 erstmals begegneten; zum ersten gemeinsamen Musikmachen kam es dann noch einige Jahre später. Dafür aber ist das Ergebnis umso mehr begeisternd! Die Basis ist New Orleans, Ausflüge werden in alle möglichen Richtungen unternommen: Blues, Bop, Swing, spanische Folklore. Der Geist aber ist alles andere als nostalgisch, dies sind keine Stilübungen. Sondern hoch spannende, innovative, ständig überraschende Musik, die ganz nebenbei auch intensiv daran erinnert, was der frühe Jazz für eine subversive Energie hatte. Ein ganz und gar außergewöhnliches, ein phänomenales Album! (2021)