Rezension
Ihr zweites Album widmete die georgische Pianistin, hier 25, Frédéric Chopin. Sie beginnt das Programm mit einem geradezu schwerelosen Walzer (Op. 64 Nr. 2), bevor sie sich mit der B-Moll-Sonate an eines der bekanntesten Hauptwerke des Komponisten wagt. Hier zeigt sich ihre Originalität, ihr Gestaltungswille, der ihr schon beim Liszt-Debüt sowohl glühende Bewunderung wie deutliche Ablehnung in den Kritiken einbrachte. Richtig ist, daß sie Chopins Dynamik-Angaben gerne mal ignoriert, auch bei der Wahl der Tempi nimmt sie sich einige Freiheiten; richtig ist aber auch, daß ihre Entscheidungen nicht willkürlich sind, daß stets ein spannendes Gesamtbild entsteht (das gilt sowohl für jedes Werk für sich genommen als auch für die Gesamtkomposition des Albums!). Der berühmte „Trauermarsch“ folgte selten so logisch auf das Scherzo, und ihr extrem schnell genommener Finalsatz ist perfekt artikuliert. Die ebenfalls so originell wie schlüssig durchgestaltete (teilweise ist ihr Anschlag so leicht, als würde ein Lufthauch die Tasten drücken) F-Moll-Ballade Op. 52 Nr. 4 (mit über zehn Minuten alles andere als eine Miniatur) führt zum zweiten Schwerpunkt des Albums, dem in derselben Tonart gehaltenen zweiten Klavierkonzert. Hier gelingt eine selten perfekte klangliche Balance zwischen Orchester und Solistin; die überkommene Ansicht, in Chopins Konzerten ginge es allein um das Klavier, wird einmal mehr deutlich widerlegt. Mit der A-Moll-Mazurka Op. 17 Nr. 4 beschließt Buniatishvili dieses faszinierende Album, die Stimmung hier changiert zwischen verträumt, melancholisch und schon beinahe unheimlich. Ein äußerst facettenreiches Chopin-Bild, und selbst, wenn man der Künstlerin nicht in allen Punkten folgen sollte: Vom Tisch wischen lassen sich ihre gestalterischen Ideen nicht. – Vinylpremiere! (2012/2022)