Rezension
Der bedeutendste Avantgardist des Rock’n’Roll wurde im letzten Jahr 80, und angesichts der großen Albumabstände – das letzte Werk mit neuem Material erschien vor über einem Jahrzehnt – kann es sich hier durchaus um ein bewußtes Vermächtnis handeln, auch wenn Cale vermutlich an neuen Ideen arbeitet, so lange er atmen kann. „Mercy“ jedenfalls kann man durchaus als Resumée seiner langen Karriere lesen, es zeigt den (immer noch gerne unterschätzten) Songwriter ebenso wie den großen Dekonstruktivisten, auch den bemerkenswert flexiblen Kollaborateur mit anderen Freigeistern – wir begegnen hier etwa Weyes Blood, dem Animal Collective, Sylvan Esso; auch jüngeren Talenten wie Tei Shi und TOKiMONSTA. Gleichfalls gegenwärtig ist natürlich der mit allen Wassern gewaschene Produzent und Arrangeur Cale, der mit jedwedem elektronischen Equipment ebenso souverän umgeht wie mit einem Streicherensemble. Es ist tatsächlich erstaunlich, wie Cale auf „Mercy“ janusköpfig gleichermaßen nach vorne wie zurückschaut, wenn er etwa mit „Moonstruck (Nico’s Song)“ einer einstigen Weggefährtin einen späten Nachruf widmet. Natürlich bleibt zu hoffen, daß diese Diskographie hier nicht endet; Cales Kreativität befindet sich offensichtlich auf einem Höhepunkt… (2023)