Rezension
Für ihr viertes Soloalbum kehrte die in Paris lebende brasilianische Songwriterin Dominique Pinto zu ihrer ersten großen Liebe zurück: Jenem Cello, das sie mit acht Jahren geschenkt bekam und auf den Namen Leon taufte. Ausgebildet von der legendären Cellistin Christine Walevska, wäre aus Pinto vermutlich eine große Konzertsolistin geworden, doch als sie nach ihrem Studium bei Walevska in Buenos Aires mit 18 Jahren nach Paris zurückkehrte, kam sie sozusagen vom Weg ab – sie wurde erst von Jane Birkin, dann von Jeanne Moreau als Tour-Musikerin gebucht. Die Erfahrungen, die sie dabei sammelte, führten zu einem ganz eigenen Weg. „Leon“ ist ihr erstes rein instrumentales Album. Man kann darauf die Spuren ihrer großen Vorbilder hören: Antonio Vivaldi (den sie als Vierjährige unbedingt zu ihrem Geburtstag einladen wollte), Frédéric Chopin (die Delikatesse und Eleganz), auch den etwas später hinzugekommenen Philip Glass, ebenso die Musik ihres Landsmanns Heitor Villa-Lobos, den Tango Nuevo Astor Piazzollas oder französische Musette-Tradition. Dies alles fließt hier zusammen zu einer einzigartigen Klangästhetik, die sich jeder Schublade entzieht, aber unmittelbar verzaubert. Man spürt: Da hat jemand seine persönliche musikalische Vision verwirklicht. Groß. (2023)