Rezension
Nicht weniger als vier Ausrufezeichen setzte Coleman hinter die Forderung nach etwas Neuem. Wobei, ist man mit seinen späteren Atlantic-Aufnahmen vertraut, das Debüt ja noch vergleichsweise konventionell klingt. Doch als es (übrigens praktisch zeitgleich mit Cannonball Adderleys beinahe gleichnamigem Hard Bop-Meilenstein aufgenommen und veröffentlicht) 1958 erschien, erschütterte es die Jazzwelt in ihren Grundfesten. Was sich dieser Typ auf seinem weißen Plastik-Altsax da erlaubte, ging deutlich über alles bisher Dagewesene hinaus. Coleman surfte provokativ, aber keineswegs willkürlich durch sämtliche Tonarten. Der Opener „Invisible“ stellt den Hörer vor vollendete Tatsachen: Das Thema läßt sogar einen Monk brav und angepaßt erscheinen, ist aber nichts gegen das, was der ehemalige Fahrstuhlführer dann im ersten Solo vor dem Hörer ausbreitet. Nebenher baute Coleman (mit seinem ihm überallhin folgenden Quintett aus Don Cherry, Walter Norris, Don Payne und Billy Higgins) den Blues komplett um: Phrasen aus 13, 17 oder 25 Takten machten jedwede Hörgewohnheiten zunichte. Und doch – und aufgeschlossene Hörer merkten das damals schon – : die Platte swingt, von Anfang bis Ende…! Einer der ganz großen Meilensteine der Jazzgeschichte, hier in neuem Analog-Mastering von Kevin Gray! (1958/2023)