Rezension
Manche Alben machen nicht glücklich, weil besonders euphorisierende Musik darauf zu hören wäre (bei The Clientele ist diese Möglichkeit eigentlich auszuschließen), sondern einfach, weil es sie gibt. Und man vielleicht gar nicht mehr damit gerechnet hätte. Die Band um Alasdair MacLean macht nach vier recht dicht aufeinanderfolgenden LPs (2003-2009) nur noch selten Platten; 2017 erschien „Music For The Age Of Miracles“, danach war wieder viele Jahre nichts von The Clientele zu hören. „I Am Not There Anymore“ überrascht und erfreut also schon dadurch, daß es existiert; doch tatsächlich ist da noch eine ganze Menge mehr. Denn die Band hat ihren herbstlichen Kammer-Pop um viele Facetten erweitert, integriert behutsam Jazz, Progressive und elektronische Elemente und wartet mit den kunstvollsten Arrangements der bisherigen Diskographie auf. Hinter jeder Wegbiegung stößt man auf Neues, und doch wird jeder, der die früheren Alben liebt, auch dieses unmittelbar ins Herz schließen. Jeder Song ist ein Kunstwerk für sich, in das man sich vertiefen möchte, und wird doch als Teil des Ganzen noch größer – selbst die eingeschobenen kurzen Instrumentalstücke sind da keine Ausnahme. Man hätte sich über jedes Lebenszeichen gefreut, belanglose Musik kann MacLean ja nicht machen, aber ein derart überragendes Werk macht beinahe fassungslos. Ein neuer Gipfel britischer Pop-Kunst, Bestenlisten sind umzuschreiben. (2023)