Rezension
Robert Schumanns „Kreisleriana“ und die neun Lieder op. 32 von Johannes Brahms haben eines gemeinsam: Beide Zyklen sind mehr oder weniger heimlich Clara Schumann gewidmet und auf jeden Fall stark von ihr inspiriert. Daß Schumann sein Werk schließlich dem Kollegen Chopin widmete, hing mit dem Ärger zusammen, den er mit seinem Schwiegervater in spe, Friedrich Wieck, hatte; Brahms hingegen war wohl schlicht zu zurückhaltend bzw. wollte die von ihm so geliebte Schumann-Witwe nicht öffentlich brüskieren. Die beiden Zyklen zusammenzubringen, ist also ein absolut nachvollziehbares Konzept – und ein sehr reizvolles, denn natürlich sucht man in ihnen nach Gemeinsamkeiten, nach dem „Charakter“ der charismatischen Widmungsträgerin. Doch auch für sich genommen handelt es sich (durchaus erwartungsgemäß) in beiden Fällen um herausragende Einspielungen: Insbesondere die „Kreisleriana“ profitiert von der für Grimaud typischen klaren Stimmführung, die keineswegs im Widerspruch steht zur extremen Emotionalität der Musik, vielmehr deren oft geradezu verschlungene Komplexität nachvollziehbarer und erfahrbarer macht. Brahms‘ drei späte Intermezzi op. 117 (ebenfalls wunderbar ausgeführt in einer erstaunlichen Balance aus Klarheit und Melancholie) leiten über zu den neun Liedern, mit denen die Pianistin die Zusammenarbeit mit dem deutschen Bariton Konstantin Krimmel fortsetzt. Wie gut diese beiden Musikerpersönlichkeiten miteinander harmonieren, konnte man erst unlängst mit den wundervollen „Silent Songs“ des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov erfahren; das Miteinander von Stimme und Klavier ist auch hier ähnlich symbiotisch wie einst bei Fischer-Dieskau und Gerald Moore – klingt allerdings vollkommen anders. Man wünscht sich ein Album mit Schubert-Liedern von den beiden… (2023)