Rezension
Marin Marais hatte Komposition beim großen Jean-Baptiste Lully studiert, der den hochtalentierten jungen Mann fortan seine Opern dirigieren ließ – und ihm eine Stelle als Musiker des Königs in Versailles verschaffte, wo Marais, der wohl größte Gambist der Zeit, auch seinen kammermusikalischen Neigungen nachgehen konnte (sein offizieller Titel bei Hofe war „ordinaire de la chambre du roy pour la viole“). Weit länger als Bachs Cellosuiten waren Marais‘ Kompositionen für Viola da Gamba im Nebel der Geschichte verschwunden, allenfalls ein Thema für die Musikforschung. Der junge Nicolaus Harnoncourt und, mit noch weit mehr Engegament, der Katalane Jordi Savall entrissen sie erst in den frühen 1970ern der Vergessenheit. Savall spielte ab 1975 alle fünf Bücher der „Piéces de Viole“ ein, er begann 1975 mit dem zweiten – ein Meilenstein der in den folgenden Jahren von Savall vorangetriebenen Marais-Renaissance, die schließlich sogar in einem erfolgreichen Biopic mündete. Die Lebendigkeit, die das Trio aus Savall, dem amerikanischen Lautenisten Hopkinson Smith (der mit Savall das Alte Musik-Ensemble Hespèrion XX gegründet hatte) und Cembalistin Anne Gallet vom Züricher Ricercare Ensemble dieser seit Jahrhunderten nicht gehörten Musik verlieh, begeistert noch heute. Der Klang der Aufnahme nicht weniger: Für den ist nämlich niemand anderes als der spätere Gründer des Sarastro-Labels Georges Kisselhoff, mithin einer der besten Tonmeister überhaupt, verantwortlich! (1976/2024)