Rezension
Es gibt nicht übermäßig viele Künstler, deren Werk innerhalb weniger Alben und Jahre eine derartige Entwicklung durchmacht. Nichts in ihrem akustikfolkigen Frühwerk wies auf solch ein Album wie „All Mirrors“ hin, auf diesen buchstäblich überwältigenden, atemberaubenden Orchester-Pop, den Olsen gemeinsam mit Produzent John Congleton und den Arrangeuren Jherek Bischoff und Ban Babbitt schuf. Es spricht für Olsen, daß sie insbesondere Babbitts Beitrag für so wichtig einschätzt, daß sie ihm Co-Songwriting-Credits einräumte. Die Fäden hatte sie trotzdem in der Hand, die musikalische Vision ist ganz und gar ihre. Ein Streichorchester und flirrende Synthesizer prägen den Klang dieses Albums, womit freilich noch nichts über diesen Klang ausgesagt ist. Denn wer nun Überfrachtung oder gar Kitsch befürchtet, könnte von der Wahrheit kaum weiter entfernt sein. Die Vertonung der inneren Kämpfe, die Olsen in diesen Songs verhandelt, bedurfte einer klanggewaltigen Tonsprache, die mit Pomp und Plüsch aber nichts zu tun hat. Und die bei allem fraglos vorhandenen Kunstwillen auch bemerkenswert unprätentiös klingt. Sondern so, als könnte es nicht anders sein. Wobei eine rein akustische Urversion dieses Albums existiert – vielleicht wird Olsen sie eines Tages veröffentlichen. Die Gegenüberstellung der beiden Extremversionen dürfte spannend sein. (2019)