Rezension
Das 2014er Duo-Album mit dem französischen Pianisten François Coutourier, einem ihrer Partner im Tarkovsky Quartet, verlangte geradezu nach einer Fortsetzung. Damals freilich erforschten den die beiden existierende Musik, unter anderem die des armenischen Mystikers und Komponisten George Gurdjieff; hier, und das mag man kaum glauben, handelt es sich fast ausschließlich um improvisierte Musik. Eine Kunst, die im 19. Jahrhundert unter „klassischen“ Musikern noch so verbreitet wie selbstverständlich war, mit der zunehmenden Trennung von Interpreten und Komponisten aber fast vollkommen verloren ging. Anja Lechner, die mit Haydn ebenso vertraut ist wie mit Arvo Pärt oder argentinischem Tango, beherrscht sie perfekt. Und so entstehen aus gemeinsam komponierten Grundthemen immer wieder wunderbare Klangreisen, in ihrem Wesen meist romantisch bis impressionistisch, mit Verweisen auf Piazzolla und Morricone (freilich eher „Nuovo Cinema Paradiso“ als „C’era una volta il West“), aber selbstredend niemals kitschig oder gar banal, sondern durchaus geeignet, sich tief darin zu versenken… (2020)