Rezension
Schon für das kurze Orchester-Idyll „The Banks Of Green Willow“ ist diese Aufnahme aus dem Jahre 2001 uneingeschränkt zu empfehlen: Auf charmanteste Art begegnen sich hier Volkslied, englische Renaissance und Impressionismus; daß der, der es verfaßte, im Ersten Weltkrieg 31jährig durch einen Kopfschuß starb, macht heute noch unvermindert wütend. George Butterworth war es auch, der seinen Freund und Kollegen Ralph Vaughan Williams zu der großen „London Symphony“ angeregt hatte. Die erste Fassung des Werkes, das der Komponist in den folgenden 20 Jahren immer wieder revidierte, war Ende 1913 fertiggestellt; vorliegende Einspielung ist die erste dieser Urfassung. Die Symphonie ist nicht nur ein Porträt der Stadt (durchaus auch mit ihren dunklen Seiten), sondern vor allem das melancholische Bild eines Englands, das im Verschwinden begriffen war. Die vier Teile sind dabei mehr symphonische Dichtungen als Sinfonie-Sätze im klassischen Sinne und weisen Vaughan Williams als einen der großen Klang-Maler seiner Zeit aus, der den Orchesterapparat zur Darstellung feinster Nuancen und Schattierungen zu nutzen wußte. Richard Hickox, dem 2008 verstorbenen wohl bedeutendsten Anwalt britischer Orchestermusik im 20. Jahrhundert, gelang eine Interpretation von solcher Schlüssigkeit und Intensität (allein der Lento-Satz!), daß man darüber spekulieren möchte, ob der Komponist das Werk auch dann so vielen anschließenden Veränderungen unterworfen hätte, wenn er sie gehört hätte… – Daß das Chandos-Label mit Digitaltechnik umzugehen weiß, ist anspruchsvollen Klassik-Hörern bekannt; bei dieser LP erstaunt angesichts der erreichten Qualität dennoch die extreme Spielzeit (knapp 68 Minuten!). (2001/2014)