Rezension
Lassen wir uns von dem ganzen Marketing-Zirkus um diese Aufnahme nicht irritieren: Es gibt durchaus rein musikalische Gründe, sich mit ihr zu befassen. Denn der Klavier-Megastar hat sich tatsächlich lange mit dem Werk beschäftigt und sich viele Gedanken dazu gemacht, darunter eine ganze Menge wirklich originäre. Zu nennen wären etwa sein kreativer Umgang mit Verzierungen in den Wiederholungen, seine Wahl der Tempi (nicht selten übrigens überraschend langsam!), vor allem sein Herausarbeiten der Bachschen Polyphonie (manchmal scheint die Basslinie lauter als die eigentlich führende Stimme zu sein, ein durchaus spannender Effekt). Und dann ist da natürlich der brillante Klavierklang, die dann doch immer wieder bestechende Tongebung des Chinesen. Es wäre im übrigen unfair zu behaupten, Langs Interpretation wäre emotionslos, man spürt durchaus, daß es ihm ernst ist und diese erste Aufnahme eines großen Bach-Zyklus‘ große Bedeutung für ihn hat. Wer von Bachs Musik wirklich berührt werden möchte, sollte sich indes eher die phantastischen Einspielungen von Zhu Xiao-Mei auf dem Accentus-Label anhören (darunter auch eine sagenhafte Aufnahme der Goldberg-Variationen). Dennoch: Vom Tisch wischen darf man Lang Langs Statement nicht. Dafür sind zu viele gute Ideen drin. (2020)