Rezension
Chopin machte mit als erster Großkunstwerke aus der Gattung der Übungsstücke. Der Zyklus aus zwölf Etüden, den Claude Debussy 1915 abschloß (er zählt zu seinen letzten vervollständigten Werken), geht allerdings noch darüber hinaus, führt die Gattung geradezu ad absurdum und ironisiert sie (herrlich in der ersten Etüde, „Monsieur Czerny“ gewidmet!). Debussy erschuf dabei nicht nur Musik, die tatsächlich zu seiner spannendsten und besten zählt, sondern führt die Etüde gleichzeitig auf ihren ursprünglichen Zweck zurück, indem er jeder einzelnen ein bestimmtes technisches Problem zuordnet. Auf einem Niveau allerdings, das für Klavierschüler ohne übermenschliche Fähigkeiten ziemlich entmutigend wirkt. Anne Quéfellecs funkensprühende Aufnahme des Zyklus‘ aus dem Jahre 1982 transzendiert den virtuosen „Pianismus“ im Lisztschen Sinne, hat zu Recht bis heute Referenzstatus und zählt zu den echten Sternstunden in der Diskographie dieser großartigen Musikerin, die erst unlängst ihren 75. Geburtstag feierte. (1982/2023)