Rezension

Anfang der 90er Jahre begann Ry Cooder, den amerikanischen Kontinent (dessen Wurzeln er bereits gründlich erforscht hatte) musikalisch zu verlassen und ließ sich auf gänzlich neue Klangwelten ein. Das erste Experiment dieser Art war eine Begegnung mit dem jungen indischen Musiker Vishwa Mohan Bhatt, ausgelöst von dessen Water Lily-LP „Saradamani“, das Cooder in musikalischer wie klanglicher Hinsicht in Erstaunen und Begeisterung versetzte. Bhatt spielt ein selbstentworfenes Instrument, das – grob formuliert – eine Art Kreuzung aus der amerikanischen National Steel Guitar und diversen indischen Saiteninstrumenten ist und erstaunliche klangliche Möglichkeiten bietet (Bhatt, langjähriger Schüler der Sitar-Legende Ravi Shankar, gilt als einer der besten und innovativsten indischen Musiker seiner Generation). Begleitet von zwei Percussionisten – Cooders Sohn Joachim (Dumbek) und Sukhvinder Singh Namdhari (Tabla) – spielen die beiden Meisterinstrumentalisten vier Duette, die tatsächlich eine Verschmelzung von westlicher und östlicher Musik darstellen – beide Seiten gehen auf verblüffende Art aufeinander ein, und man stellt einmal mehr fest, daß ein wahrhaft guter Musiker die Kunst des Zuhörens ebenso gut beherrschen muß wie das eigene Spiel. Water Lily-Betreiber Kavichandran Alexander, begeisterter Kenner der indischen Musik, liefert in seinem Klappentext wie üblich detaillierte Informationen. – Diese selbst das generell extrem hohe Niveau der Water Lily-Aufnahmen überflügelnde 45 UPM-Ausgabe war übrigens, nach über 15 Jahren, die Vinylpremiere dieses Traum-Albums. Alexander, über die Vinyl-Umsätze seines bis dahin äußerst exotischen Katalogs enttäuscht, veröffentlichte ausgerechnet beginnend mit diesem ‚Selbstläufer‘ nur noch digital. Mein Vater und ich – in der Frühzeit des Labels hatte die damalige Connaisseur Musik GmbH die Deutschlandvertretung von Water Lily – beknieten ihn förmlich für einen letzten Versuch, doch der Mann blieb stur… (1993/2008, Pressung aktuell)