Rezension
Der Einstieg in dieses phänomenale Album ist nicht einfach. Bei dem Scat-Schnellfeuer, das die niederländische Ausnahmesängerin hier losläßt, zieht man unverzüglich den Kopf ein. Doch das bläst einem nur die Gehörgänge frei für eine unglaubliche Reise durch phantastische Klangwelten. Daß Bijma inzwischen Mitte 60 ist, mag man angesichts der übermenschlichen Flexibilität ihrer Stimme nicht glauben. Wer sie schon einmal gehört hat, weiß zwar, daß sie buchstäblich alles damit machen kann, aber die Klangfarbenvielfalt, die sie hier zwischen rohem Tribalismus, Oberton-Techniken und lyrischstem Opernsopran und -alt (allein ihr Stimmumfang ist stupend) ausbreitet, muß man selbst gehört haben, um es zu glauben. Doch natürlich ist Bijmas Virtuosität nur Mittel zum Zweck, und der bedeutet bei ihr: Musikalität. Nicht nur ist das Album reich an intimen Momenten von berückender Schönheit, da ist auch reichlich Raum für Bijmas Partner, die beide schon seit vielen Jahren mit ihr arbeiten; man kann hier auch großen Ensemble-Geist erleben. Kategorisieren kann man diese Musik kaum; man müßte denn den Begriff „Free Jazz“ neu definieren… Die Exzellenz der Aufnahme vom September 2021 im MPS-Studio Villingen darf vorausgesetzt werden; ganz nebenbei aber ist es auch ein besonderes Vergnügen, die 74jährige Keyboard-Koryphäe van’t Hof am legendären Studio-Bösendorfer zu erleben. Die Freude, die er dabei hatte, hört man hier auch. (2022)