Rezension
Der Broadway-Erfolg ihres „Hadestown“-Musicals hat Anaïs Mitchell wohl selbst überrumpelt; sie ist unversehens von einer Indie-Folk-Songwriterin zum Popstar geworden. Sehr wohl fühlt sie sich vermutlich nicht in der Rolle. Dieses selbstbetitelte Werk ist nun das erste mit neuen eigenen Songs seit beinahe einer Dekade; es ist der gelungene Versuch einer Selbstdefinition. Mitchell und Produzent Josh Kaufmann gelang dabei der schwierige Balanceakt, Indie-Folk und Pop zu versöhnen. Der Charakter dieser zehn Songs ist gleichermaßen intim wie Mainstream-affin, selten klang großer Pop (denn das ist es) bescheidener. Gerade 32 Minuten dauert dieser Zauber, mehr wäre vermutlich zuviel gewesen. Ein sehr bemerkenswertes künstlerisches Statement, gleichermaßen stark und zerbrechlich wirkend, und mit viel Potential für eine heimliche Lieblingsplatte. (2022)