Rezension
Drei höchst unterschiedliche Lieblingsstücke vereint die Geigerin auf diesem Album, zwei davon sehr bekannt und vielfach aufgenommen: Das Dvorák-Konzert (das sich allein für den Adagio-Satz lohnt), und eine höchst passionierte „Carmen-Fantasie“, die die Figuren der Oper wahrhaft zum Leben bringt. Das Kernstück des Albums, mit dem sich Hahn aus ihrem selbstverordneten Sabbatical zurückmeldet, aber liegt dazwischen: Das vielfach als unspielbar geltende Violinkonzert des Argentiniers Alberto Ginastera. Ruggiero Ricci hatte es 1963 aus der Taufe gehoben, jedoch nie aufgenommen; mir ist nur eine einzige andere Aufnahme bekannt (von Salvatore Accardo für das italienische Dynamic-Label in den 1990ern, mithin nur auf CD erschienen). Es ist ein überwältigendes Werk, im Aufbau (nach einer über fünfminütigen Solokadenz folgen neun sogenannte, höchst unterschiedliche „Studien“, dann ein Adagio „für 22 Solisten“, schließlich ein zweiteiliges Finale) so außergewöhnlich wie in seinem Klangfarbenreichtum, dabei die technischen Möglichkeiten der Violine auslotend wie ein Paganini (der übrigens auch mal kurz zitiert wird) des 20. Jahrhunderts. Ein Werk, das auch engagierten Violin-Aficionados so gut wie unbekannt sein dürfte und das viele Stunden echtes Hör-Abenteuer bedeutet, denn nach einmaligem Hören dürfte man noch nicht viel davon wirklich erfaßt haben. Es tut einem fast leid um die beiden romantischen Werke, die hier als Klammer dienen; sie müssen gegen diesen Monolithen verblassen. Hahn hätte vielleicht besser zwei Alben daraus gemacht. So oder so: Dies ist wohl fraglos ein Pflichtstück… (2022)