Rezension
Wäre es einfach nur Beethovens Opus 61, das Debüt der 20jährigen Spanierin, die in den letzten Jahren mit etlichen der großen Orchester der Welt auftrat, würde das schon alle Begeisterungsstürme rechtfertigen, denn selten hört man solche musikalische Reife bei einem so jungen Menschen. Ihr Ton ist lyrisch, anknüpfend an die große Zeit der Belcanto-Violinisten, dabei aber auch erzählerisch: Jede Nuance im Notentext ist ausgestaltet, überlegt. Manfred Honecks Dirigat geht wunderbar auf ihre Interpretation ein, läßt der Violine stets den notwendigen Raum zum Atmen. Eine Einspielung also, die sich aus dem Stand unter die großen Aufnahmen einreiht. Das ist aber längst nicht alles. Denn Dueñas nahm sich die Freiheit, ihre eigenen Kadenzen zu schreiben, und allein dafür lohnt sich die Aufnahme, denn tatsächlich ist sie auch eine hochbegabte Komponistin, von der sicherlich noch Einiges zu erwarten ist. Und da wir gerade von Kadenzen sprechen: Diejenigen, die Louis Spohr, Eugène Ysaÿe, Camille Saint-Saëns, Henri Wieniawski und Fritz Kreisler für den ersten Satz des Konzertes geschrieben hatten, spielt sie allesamt im „Beiprogramm“ dieses außergewöhnlichen Albums, nebst jeweils einem Werk der fünf Genannten, von denen nur Saint-Saëns kein aktiver Violin-Virtuose war. Und wie sie diese „Zugabenstücke“, etwa Ysaÿes „Berceuse“ op. 20, Saint-Saëns‘ „Havanaise“ oder Kreislers vielgespieltes „Liebesleid“ interpretiert, das ist tatsächlich nicht weniger beeindruckend als ihre Beethoven-Aufnahme. Dieses Debüt ist ein violinistisches Großereignis, und man muß kein Prophet sein, um vorherzusehen, daß hier erstens eine sehr bemerkenswerte Diskographie beginnt – und zweitens die Vinylversion des Albums irgendwann mal sehr teuer gehandelt werden wird… (2023)