Rezension
„The Windup“ fand sich bereits auf dem letzten Album des Marsalis Quartet (damals wie heute mit Pianist Joey Calderazzo, Bassist Eric Revis und Drummer Justin Faulkner besetzt). Die Faszination für das Debüt von Keith Jarretts „Europian Quartet“ besteht also schon länger – nun interpretierte der Saxophonist das ganze Album neu. Wie neu, kann man schon an den Timings ablesen, wenn der Titeltrack nun etwa siebeneinhalb Minuten anstelle der ursprünglichen zwei in Anspruch nimmt. Und Marsalis ist ebensowenig Jan Garbarek wie Calderazzo Jarrett. Dennoch ist eine komplette Neueinspielung eines Albums natürlich etwas anderes als eine willkürliche Sammlung von Standards. Marsalis‘ Deutung der Kompositionen sind (wo es möglich ist) durch eine gewisse Funkiness geprägt, auch näher am klassischen Bop und Soul Jazz (daß dies seine erste Veröffentlichung für Blue Note ist, gibt dem noch eine besondere Note), aber die introspektiven Passagen des Originals werden keinesfalls ignoriert („Blossom“ ist hier nicht weniger magisch als im Original, nur anders im Farbton). Am Schönsten (der Abstand ist freilich nicht groß) gelingt diese Symbiose zweier jazzästhetischer Welten vielleicht im Schlußtrack „Solstice“ – fraglos einer der wunderbarsten Jarrett-Kompositionen überhaupt… (2025)