Rezension
Als Gitarrist hat sich Oscar Jerome als Mitglied der Afrobeat-Formation Kokoroko und im Umfeld von Szene-Magneten wie Shabaka Hutchings oder Moses Boyd längst einen Namen in der kochenden Londoner Jazz-Welt gemacht; daß er auch ein formidabler Sänger ist, weiß man auch nicht erst seit gestern. Auf seinem Studio-Debüt wildert er lustvoll in der Zwischenwelt von Funk, R’n’B, Hip Hop und Jazz, wobei ihn sowohl seine Phrasierung als auch die spannenden und anspruchsvollen Arrangements letztlich doch als Jazzmusiker outen. Allerdings mit einem Jazzverständnis, das der überwiegend „akademischen“ kontinentaleuropäischen Spielart klar und bewußt zuwiderläuft. Wer will, kann sie zwar durchaus kontemplativ hören und wird auf reichlich Substanz dabei stoßen, doch eigentlich knüpft Jeromes Musik an eine Zeit an, da die Leute auf Jazzkonzerten wild getanzt haben. Wer mal ein Konzert von Hutchings oder dessen US-Pendant Kamasi Washington erlebt hat, weiß, wovon die Rede ist. Diese Musik hat fraglos die Elastizität und das musikalische Niveau einer besonders hervorragenden zeitgenössischen Jazzproduktion, doch sie will nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem ganzen Körper erfahren werden. Hier ist eine Generation am Werk, die den Jazz von Grund auf erneuert und ihm endlich wieder ein junges, enthusiastisches Publikum beschert. (2020)