Rezension

Es gibt ein berühmtes Photo von Jimi Hendrix, auf welchem dieser eine Originalpressung eines der drei Teile von “Chicago / The Blues / Today!” unter dem Arm hat. Was symptomatisch ist für die Bedeutung dieser Sammlung, die (nach der vergriffenen Pure Pleasure-Edition von 2011) nun endlich wieder auf Vinyl vorliegt, abermals in audiophiler Qualität, neu von den Analogquellen gemastert von Kevin Gray. Das Projekt des Blues-Sammlers und -Forschers Samuel Charters war eigentlich aus einer Not heraus geboren worden: Charters wollte viel lieber ganze Alben mit den hier vertretenen Musikern produzieren, aber das gab das Budget nicht her – also wurden auf den jeweiligen Sessions nur vier bis sechs Songs aufgenommen (das ganze Projekt besteht aus exklusiven Aufnahmen); jeweils drei Künstler teiten sich ein Album: Auf der ersten LP waren das Junior Wells, J.B. Hutto und Otis Spann; die zweite vereinte Otis Rush, James Cotton und Homesick James; die dritte schließlich Johnny Shines, Johnny Young und Big Walter Horton. Was Charters wohl kaum absehen konnte, war, daß dieser so kompakte wie qualitativ überragende Überblick über die Chicago-Blues-Szene in die damalige Rockszene einschlug wie eine Bombe. War der Blues in seiner Heimat bis dahin eine Sache von Liebhabern und Traditionshütern gewesen und vielfach als der arme Bruder des Jazz angesehen, so wurde er mit einem Mal Mainstream-tauglich. Um zu veranschaulichen, wie sehr diese Sammlung die Rockmusik der nächsten Jahre dies- wie jenseits des Atlantiks beeinflußte, höre man sich etwa die Otis Rush-Aufnahme von “I Can’t Quit You Baby” an – und vergleiche sie mit der Led Zeppelin-Version… Unbedingtes Pflichtrepertoire; nach der 2021er Record Store Day-Edition als Dreifach-LP folgt nun noch einmal eine Ausgabe in Einzelausgaben (wie ursprünglich), das rein analoge Mastering ist identisch. (1966/2022)