Rezension
Kein Lese- oder Druckfehler: Nicht das naheliegende „Debussy – Ravel“, sondern: „Debussy – Rameau“. Nach seinem vielfach preisgekrönten 2019er Bach-Album veröffentlicht der Isländer ein weiteres Statement und stellt dem Komponisten, der im französischen Kulturkreis für die Formulierung der bis in die Romantik geltenden harmonischen Gesetze steht (auf denen unsere Hörgewohnheiten immer noch beruhen) dem Kollegen gegenüber, der sie wieder auflöste. Daß trotz der vermeintlichen Gegensätze und der zeitlichen Distanz eine Geistesverwandtschaft besteht, fiel Ólafsson bei der näheren Beschäftigung mit dem Bach-Zeitgenossen auf; daß Claude Debussy ein großer Bewunderer Rameaus war, ist indes kein Geheimnis – er ehrte ihn mit der „Hommage à Rameau“ im ersten Buch seiner „Images“ ja nicht aus einer bloßen Laune heraus. Jenes Stück bildet konsequenterweise den Abschluß eines äußerst faszinierenden Konzeptalbums, bestehend im Falle des Barock-Meisters überwiegend aus Teilen von dessen „Pièces de clavecin“; von Debussy wurden vor allem Stücke aus „Estampes“, „Children’s Corner“ und den „Préludes“ ausgewählt. Es ist natürlich nicht nur die Zusammenstellung, die besticht und neue Perspektiven auf die jeweiligen Werke eröffnet – sondern vor allem abermals das sagenhaft kristalline, durchsichtige Spiel dieses Ausnahme-Pianisten, den man getrost als einen der größten Individualisten des Instrumentes seit Glenn Gould bezeichnen darf. (2020)