Rezension

Zu behaupten, das fünfte Big Thief-Album wäre Americana, ist ungefähr so, als würde man „Sgt. Pepper’s“, „Abbey Road“ oder „Pet Sounds“ als Popmusik beschreiben: Prinzipiell korrekt, aber der Sache kaum gerecht werdend. Und der Bezug auf drei der bedeutendsten LPs der Geschichte ist nicht übertrieben. Waren die bisherigen Arbeiten der Band um Adrianne Lenker (ebenso wie ihre beiden Soloalben) schon ehrfurchtsgebietend, so haben Big Thief sich hier noch einmal übertroffen, und die Phantasie versagt bei der Vorstellung, wie diese Diskographie wohl noch weitergehen mag. Die Vielfalt an Stimmungen hier ist auf den ersten Blick beinahe verwirrend, ein Eindruck, der aber schnell verfliegt. Das Doppelalbum ist keinen Song, keinen Ton zu lang; die Vielfalt Programm. An vier verschiedenen Orten nahm die Band das Album auf, in den Catskill Mountains an der Ost- und dem Topanga Canyon an der Westküste, in der Wüste von Arizona und den Rockies in Colorado. Extreme Gegenden, deren Unterschiedlichkeit in die Musik einfließt. Daß die 20 (von 45!) letztlich ausgesuchten Songs eben keinen Flickenteppich ergeben, sondern sich zu einem Großkunstwerk zusammenfügen, zeigt mehr denn je die Ausnahmestellung dieser Band. Es hat keinen Sinn, ins Detail zu gehen – es sei denn, man wollte einen mehrseitigen Essay über das Album verfassen. Das Album hat entsprechende Behandlung sicherlich verdient und bekommt sie auch, aber dies ist nicht der geeignete Ort. Daß dies ein Meisterwerk ist, an dem man sich auf lange Sicht kaum satthören kann, sollte deutlich geworden sein… (2022)