Rezension
Als homosexueller Afroamerikaner paßte Julius Eastman (1940-1990) nirgendwo hin; seine bloße Existenz war eine Provokation, seine Musik nicht weniger, oft schockierte er bewußt schon durch die Titel seiner Werke („Gay Guerilla“ ist da auch ein schönes Beispiel). Eastman zählt zu den Pionieren der Minimal Music, doch anders als seine Kollegen Glass oder Reich erlebte er es nicht, daß sein Genie noch zu Lebzeiten gewürdigt worden wäre: Erst in den letzten Jahren wird sein Werk zunehmend entdeckt und endlich auch aufgeführt. Deutlich eindringlicher als bei den schon erwähnten Kollegen klingt seine Musik, wobei das Grundprinzip – das Werk besteht aus Patterns, aus denen die jeweiligen Interpreten sich bedienen können und die beliebig oft wiederholt werden dürfen – ähnlich ist. Doch der Charakter ist nicht hypnotisierend-beruhigend, sondern aufwühlend: Eastman bohrt den Finger in gesellschaftliche Wunden. Gleich zwei äußerst unterschiedliche Aufnahmen dieses Schlüsselwerkes finden sich auf dieser außergewöhnlichen LP: Eine vom Arditti Quartet (das nach bald 50jähriger Geschichte voller Pionierleistungen in der Neuen Musik immer noch von seinem Gründer Irvine Arditti geleitet wird), eine weitere, kaum weniger faszinierende von den polnischen Akkordenisten Maciej Frackiewicz und Rafał Łuc, die beide in den letzten Jahren auf so ungewöhnlichen wie spannenden Alben die Avantgarde-Eignung ihres Instrumentes bewiesen haben! (2021)