Rezension
Der Countertenor und der Pianist brechen hier eine Lanze für die Musik ihrer polnischen Heimat, und das ist ganz sicher kein Akt des Patriotismus – sondern des Wissens darum, daß es da musikalische Schätze zu heben gilt, denn von den Komponisten, denen man hier begegnet, dürfte einem allenfalls Karol Szymanowski wirklich ein Begriff sein, und auch bei dem stellt sich die Frage, wer außerhalb Polens mit dessen Kunstlied-Schaffen vertraut ist. Die ausgewählten Werke stammen aus der Romantik, der klassischen Moderne und der Gegenwart, und jedes von ihnen ist eine echte Entdeckung. Natürlich ist es der Sprachbarriere zu verdanken, daß diese Musik außerhalb Polens so unbekannt blieb (und großenteils wohl auch dort nur in engsten Spezialistenkreisen kursiert): Für deutsche, angloamerikanische oder italienische Sänger ist der Aufwand, dieses Repertoire zu erlernen, schlicht unverhältnismäßig hoch und das Risiko, sich aufgrund eines grauenhaften Akzents dann auch noch vor den einzigen Menschen, die die Texte verstehen, lächerlich zu machen, kaum weniger. Man muß also Pole sein, um diese Lieder singen zu können, das schränkt den Kreis derer, die dieses wunderbare Repertoire popularisieren können, deutlich ein. Orlinski und Biel gebührt für dieses Album daher ewiger Dank. Denn schon lange hat man nicht mehr so viel exzellentes und doch gänzlich unbekanntes Repertoire auf einem einzelnen Album entdecken dürfen. Und das gilt nicht nur für den Lied-Sektor. (2022)