Wenn Fiona Apple nach Bolzenschneidern ruft, darf man davon ausgehen, daß das so überschriebene Werk keine leichte Kost sein wird (wer sich beim Hören gerne entspannt zurücklehnt, ist bei der unbequemsten unter den großen Songwriterinnen der Gegenwart aber ohnedies an der falschen Adresse). Man muß dafür noch nicht einmal auf die inhaltliche Ebene gehen (dann wird es ohnedies uferlos). Was sich hier musikalisch tut, ist schon fordernd genug. Was den künstlerischen Anspruch betrifft, sind Vergleiche mit Kate Bush durchaus vertretbar – man muß das Ätherische der britischen Diva allerdings durch Muskeln, Sehnen, Klauen und scharfe Zähne ersetzen. Den Tom Waits der „Bone Machine“ kann man ebenfalls anführen, ebenso den späten Scott Walker: Ein seltsamer Percussion-Sound wird hier schon mal mit Hundeknochen erzeugt. Und die Stimme! Man muß eher von einer Performance sprechen, einer vokalen Tour de force, denn von Gesang. Wobei es noch nicht einmal die Zahl der Stimmen, die Vielfalt der Tonlagen ist, die überwältigt, sondern der Ausdruck, mit dem Apple jede davon füllt. Gleich, ob sie faucht oder kiekst (es gibt unzählige Schattierungen dazwischen): Jede Silbe hat Gewicht, die wortlosen nicht weniger als diejenigen mit Text. Man kann dieses Album nur mit ungeteilter Aufmerksamkeit hören, man muß sich Apples Wut (aber auch ihrem Humor) mit Leib und Seele auszuliefern bereit sein. Wer dazu in der Lage ist, wird mit Sicherheit belohnt. (2020)