Rezension
Es gibt Pianisten, gerade in jüngerer Vergangenheit, die diese Stücke „tänzerischer“ gestalten, mit durchaus überzeugendem, ja mitreißendem Ergebnis. Doch sollte man darüber nicht vergessen, daß an den französischen Höfen ja nun nicht ausgelassen getanzt wurde, sondern das Idealbild eine fließende Eleganz war. Genau die kann man bei Murray Perahias Deutsche Grammophon-Debüt erleben. Perahia, hier knapp 70, spielte die Stücke schon lange in seinen Konzertprogrammen, aufgenommen hat er sie hier erstmals; die Reife und die Vertrautheit mit den Werken kann man spüren. Perahia ist bekanntlich niemand, der einem Werk sein Ego aufdrückt, er sieht sich als Vermittler zwischen Komponist und Hörer. Das bedeutet natürlich nicht, daß er keine eigenen Ideen zur Gestaltung hätte (allein über seine Gestaltung der Barock-üblichen Verzierungen können Musikwissenschaftler sicherlich Seiten füllen), auch sein sehr umsichtiger Umgang mit Dynamik und anderen dem modernen Klavier eigenen Möglichkeiten (geschrieben wurden die Suiten ja fürs Cembalo) fallen ebenso auf wie die wunderbar ausgearbeitete Stimmführung: In dieser Aufnahme steckt sehr viel Überlegung und ein tiefes Bach-Verständnis. Der dabei entstehende Fluß ebenso wie die Ausgewogenheit übertragen sich direkt auf den Hörer. Eine Bach-Aufnahme, in die man tief eintauchen kann, als analytischer ebenso wie als emotionaler Hörer. – Erstmals auf Vinyl. (2016/2023)