Rezension

Wer die bisherigen Bach-Aufnahmen der in Frankreich lebenden chinesischen Ausnahmepianistin verfolgt hat, wird hier vermutlich kaum zögern. Abgesehen von vielleicht nur Murray Perahia, darf man Zhu getrost als bedeutendste lebende Bach-Interpretin am Klavier anführen. Zhu vermittelt wie nur sehr wenige Musiker das Gefühl, ein Medium zu sein, durch das die Musik des Komponisten unmanipuliert hindurchfließt: Da ist nichts Exzentrisches, keinerlei Manierismen in ihrem Spiel, das geprägt ist von einer Klarheit und inneren Leuchtkraft, die man schon als spirituell bezeichnen kann. Ihre Aufnahme der „Französischen Suiten“ stehen dabei noch einmal auf einem ganz eigenen Blatt: Joan Mirós Zitat „Mit der Freiheit erlangt man gleichzeitig Schlichtheit“ benutzt sie selbst, um ihren Interpretationsansatz zu beschreiben. Schlichtheit ist nun nicht der erste Begriff, der einem zu den zeremoniellen höfischen Tänzen des barocken Frankreichs einfällt, die Bach in diesen Suiten adaptierte – doch durch diese Schlichtheit, die man auch als kindliche Einfachheit und Unvoreingenommenheit beschreiben könnte, durch die vollkommene Abwesenheit von Steifheit und Geziertheit entsteht eine selten gehörte Eleganz und tänzerische Leichtigkeit, die Musik scheint sich an ihrer eigenen Bewegung zu freuen. Man folgt dieser Bewegung in stiller Faszination, bis die letzte Note verklungen ist… (2017)