Rezension
In Hinblick auf das Repertoire und einige Arrangements ist dies fraglos das altmodischste Album in der Karriere der Pianistin und Sängerin. Sie hatte zuvor die Schellackplattensammlung ihres Vaters durchforstet, gemeinsam mit Produzent T Bone Burnett dann die überwiegend aus den 20er und 30er Jahren stammenden Titel ausgesucht. Sie spielt sie allerdings nicht einfach nach, sondern würzt sie mit reizvollen und pikanten Zutaten: Ihr Klavierspiel im Opener „We Just Couldn’t Say Goodbye“ etwa hat einen starken Monk-Touch, und dann ist da natürlich noch die E-Gitarre von Marc Ribot – die „Glad Rag Doll“ dann auch gleichzeitig zu ihrem modernsten Werk macht! Burnett verlieh dem Album eine sehr direkte Atmosphäre, manchmal poltert das los, als befände man sich auf einer der jüngeren Tom Waits-LPs… Es gibt allerdings auch ganz andere Momente auf diesem Album: Den Titelsong etwa, den Krall ohne Klavier, sondern nur mit Ribot an der Akustikgitarre (!) einspielte: So lyrisch hat man diesen außergewöhnlichen Musiker selten gehört, gleichzeitig ist knisternde Spannung in der Luft. Was gleich darauf folgt, ist nicht weniger außergewöhnlich: In „I’m A Little Mixed Up“, einem recht obskuren Rockabilly-Klassiker von Betty James, spielt Krall ein astreines Rock’n’Roll-Klavier! Und die Umdeutung von Doc Pomus‘ „Lonely Avenue“ wäre eine Rezension für sich wert. Wer ob des Cover-Fotos befürchtet hatte, daß Krall sich hier verkaufen würde, sieht sich glücklicherweise getäuscht: Dies ist nicht nur ihre bislang ungewöhnlichste LP, sondern auch eine ihrer besten! (2012)