Rezension
Goldberg von Ólafsson: Das hat man sich gewünscht, seit man das 2018er Bach-Album des isländischen Klavier-Genies gehört hat, Ólafsson selbst träumte bereits als Teenager davon, den Zyklus einmal aufzunehmen. Er hat damit gewartet, bis er Ende 30 war, und das war wahrscheinlich klug. Denn dieser Einspielung hört man die jahrzehntelange Beschäftigung mit der Materie an. Man mag ansetzen, wo man will: Die perfekte Stimmführung, die sagenhafte Tonbildung (berührt dieser Mensch die Tasten überhaupt oder bedient er die Klaviatur mit Geisteskraft?!), das Konzept, zwar überwiegend non legato, also Cembalo-artig zu spielen, das aber nicht zum totalen Prinzip zu erheben, sondern Gesangslinien auch mal fließen zu lassen – und nicht zuletzt die ungeheuer nuancierte Dynamik: Viel näher kann man einer idealen Interpretation wohl kaum kommen. Und dadurch, daß Ólafsson (wie er selbst sagt) jede einzelne Variation als Mikrokosmos begreift und gestaltet, ist dies bei aller kristallinen Klarheit auch eine der abwechlungsreichsten Aufnahmen der Werkdiskographie. Das große Ganze verliert er dabei trotzdem nicht aus den Augen. Es gibt bekanntlich eine ganze Menge Must-Have-Einspielungen zwischen der 1955er Gould-Aufnahme und (in jüngster Vergangenheit) der von Alexandre Tharaud, diese beansprucht einen Platz unter den größten… (2023)