Rezension
Das ist vielleicht das ungewöhnlichste Live-Dokument der Space Jazz-Legende überhaupt. Studenten des Haverford College in Pennsylvania hatten einige Konzerte mit Solo- und Duoauftritten diverser Jazzmusiker organisiert. Sun Ra hätte mit Vibraphonist Walt Dickerson spielen sollen, sagte aber relativ kurzfristig ab. Die Veranstalter fanden kurzfristig Ersatz in Bassist Jymie Merritt und waren insgeheim froh, sich die Ausgaben für das Leihen eines Konzertflügels nebst Klavierstimmer sparen zu können. Doch Merritt mußte den Abend aufgrund eines Todesfalls in der Familie canceln. Am Tag des Konzerts stand unvermittelt Ra vor der Tür – er hatte von Merrits Absage gehört und ein schlechtes Gewissen. Jetzt war aber kein Instrument da. Was sich organisieren ließ, war ein kleines Fender Rhodes-Piano eines Mitstudenten – und auf dem spielte Ra dann an diesem Abend. Und es gibt vermutlich keine Aufnahme in seiner Diskographie, die sich mit diesen frei fließenden und sagenhaft entspannten Improvisationen über verschiedenste Themen (eigene wie fremde, großartig etwa „Rhapsody In Blue“!) vergleichen ließe. So intim und kammermusikalisch hat man Sun Ra noch nie gehört. Die Aufnahme kursiert seit einigen Jahren als Stream, nun gibt es endlich eine physische Veröffentlichung! (2023)