Rezension
Man möchte es heute nicht glauben, daß dieses Genie, einer der größten Stilisten am Klavier der Bop-Ära, sich damals überwiegend mit Dixieland über Wasser hielt, um die Miete zu bezahlen. Bei Blue Note würdigte man ihn zwar als den Propheten, der er war, doch erwiesen sich die drei Alben für das Label (dies ist das dritte und letzte, eingespielt mit den – alternierenden – Bassisten Al McKibbon und Teddy Kotick sowie niemand Geringerem als Max Roach am Schlagzeug) aufgrund des fehlenden Bekanntheitsgrades des Pianisten als kaum verkäuflich. Und mancher, der die LPs dennoch erwarb, dürfte damals nicht in der Lage gewesen sein, sie einzuordnen: Nichols schloß den Bebop mit der New Orleans-Tradition kurz, erfand grandiose neue Harmonien und baute Brücken zur jüngeren klassischen Musik, der Einfluß Bartóks etwa ist unüberhörbar. So spielte niemand sonst, nicht einmal Monk. Als Anfang der 60er endlich eine neue Generation von Hörern und Musikern begann, sich für den Außenseiter zu interessieren, erkrankte Nichols an Leukämie, er starb 1963 mit 44 Jahren. Seine wenigen Aufnahmen zählen zum Spannendsten, was der Jazz der 1950er zu bieten hat, Miles und Trane eingeschlossen. (1956/2023)