Rezension
Sie zählt zu den erstaunlichsten Stimmen der 60er – und sie war von Anfang an dabei: Es gibt ein Photo von 1961, aufgenommen im Greenwich Village, auf dem sie mit Fred Neil und einem blutjungen Bob Dylan zu sehen ist. Anders als die beiden Kollegen war sie aber weit entfernt von einem Plattenvertrag – nicht wegen Mangels an Talent, sondern an Ehrgeiz. Bewunderer hatte sie aber zuhauf in Folk-Insider-Kreisen, auch namhafte, so daß sie schließlich 1969 doch noch in ein Studio genötigt wurde und ihr legendäres Debüt aufnahm. Und zwei Jahre später noch eine (diese) Nachfolge-LP, die dann aber ihre letzte blieb. Es gibt Leute – gar nicht so wenige – die diese beiden Platten für die schönsten Folk-Pop-Sternstunden überhaupt halten (zwei davon sind Nick Cave und Devendra Banhart, die beide flammende Essays zur ersten LITA-Neuausgabe im Jahre 2006 beigesteuert hatten, im aktuellen Booklet natürlich wiedergegeben). Dabei ist ihre Stimme im herkömmlichen Sinne nicht ’schön‘: Brüchig und rissig ist sie, oft wurde Karen Dalton mit Billie Holiday verglichen; und wie eine ländliche Version der Lady Day klingt sie tatsächlich. Wobei es dabei nicht nur um die Stimme geht, sondern um die Intensität, die emotionale Kraft ihres Vortrags. Dalton sang immer mit geschlossenen Augen, auch im Studio, und vergaß dabei ihre Umgebung. Sie tauchte in ihre Songs ein, und das kann man hören. Laut wurde sie dabei selten: „If you want to be heard, you have to sing softer“, sagte sie selbst einmal. Wer das nachvollziehen will, sollte diese Platte hören… Für diese Ausgabe wurde noch einmal neu gemastert; gepreßt wurde bei RTI! (1971/2023)