Rezension

1952 schien die Karriere des größten Crooners der 40er Jahre beendet – Frank Sinatra, an hysterische (weibliche) Fan-Schwärme gewohnt, stand ohne Plattenvertrag auf der Straße. Doch der größte aller Sänger erfand sich neu und nahm auf eigene Kosten neues Material auf; erstmals in seiner Karriere komplett nach eigenen Vorstellungen. In Nelson Riddle fand er den Arrangeur, der diese einzigartige Stimme in maßgeschneiderte Klanggewänder stecken konnte. Bei Capitol Records fand er ein neues Zuhause, und nachdem erste Singles und 10″-LPs (mit optimistischerem Material als hier zu hören) erfolgreich waren und den Sänger wieder in die Charts gebracht hatten, wagte er das Großprojekt: Erstmals die LP-Länge, und er nutzte das Format keineswegs für eine fröhliche Swing-Revue, sondern für das Portrait eines gebrochenen Mannes. Ob er dabei seine gescheiterte Beziehung zu Ava Gardner aufarbeitete, wie oft vermutet – es sei dahingestellt. Tatsache ist: Ein schlechtes Album nahm Sinatra in den vielen anschließenden Jahren nicht auf, und nur sehr wenige durchschnittliche. Die erschütternde Intensität von „In The Wee Small Hours“ aber erreichte selbst The Voice nur noch selten wieder. Absolut essentiell. (1955/2024)