Rezension
Wie selbstverständlich der 27jährige Russe der Versuchung widersteht, Rachmaninoffs Musik als Vehikel für die eigene Virtuosität zu mißbrauchen! Ganz im Gegenteil ist dies eine der wohl subtilsten, sensibelsten Aufnahmen insbesondere des zweiten Konzertes der letzten Dekaden. Trifonov, der von der internationalen Kritik immer wieder für sein Werkverständnis gelobt wird, scheint direkt in die Seele dieser so oft mißverstandenen Musik einzutauchen, und diese Seele ist eine zerrissene, abgründige. Weder Trifonov noch der kanadische Dirigent Yannick Nézet-Séguin, seit 2010 Chefdirigent des Orchesters, das der Komponist einst für seine eigenen Aufnahmen seiner Konzerte ausgewählt hatte, neigen dabei allerdings zu opulenter Schwere; im Gegenteil ist die Eleganz der Tongebung geradezu erstaunlich – zumal sie nicht im Widerspruch steht zu Trifonovs interpretatorischem Ansatz. Verbunden (oder: getrennt) werden die beiden Konzerte übrigens von einer Klavierbearbeitung Rachmaninoffs von Bachs E-Dur-Partita für Solovioline – ein Kunstgriff, von dem man sich gut vorstellen kann, daß der Komponist selbst ihn bei einer solchen Aufführung angewendet hätte. Daniil Trifonov beweist jedenfalls einmal mehr seine absolute Ausnahmestellung unter den Klavier-Meistern der Gegenwart: Bislang erwies sich jede Veröffentlichung als essentiell. Diese ist es mit Sicherheit. (2018)