Rezension
Das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester hat eine besondere Beziehung zu diesem Werk, das einst ein neues Zeitalter in der symphonischen Musik einläutete. Zum ersten mal spielte das Orchester das „Sacre“ im Jahre 1924 unter der Leitung von Pierre Monteux, der neun Jahre zuvor die skandalträchtige Uraufführung in Paris geleitet hatte; seitdem zählt man 118 Aufführungen bis heute – keines seiner Chefdirigenten seit Eduard van Beinum ließ es unbeachtet. Daniele Gatti, der die Position seit 2014 innehat, fügte der Tradition eine höchst intensive Interpretation hinzu. Die Live-Mitschnitten meist immanente Spannung sorgt für zusätzliche Elektrizität, man spürt sie in den ersten, leisen Takten des Frühlinserwachens bereits – erst recht in den orgiastischen, entfesselten Tänzen: Sehr deutlich sind Gattis Bilder der vorchristlichen Rituale; man fühlt sich als heimlicher Beobachter der Zeremonie (der besser nicht erwischt wird). Das Orchester agiert dabei mit einer sagenhaften Präzision, selbst in den wildesten Momenten: Unbedingt ein Spitzen-„Sacre“! (2017)