Rezension
„Hard Rain“, das 1976 erschienene Live-Album, war dieser legendären Tour nie gerecht geworden; es stammte ja auch von deren zweiten Teil, auf dem der Zauber bereits (mehr oder weniger) verflogen war. Doch es dauerte bis zum Jahr 2003, bis ein adäquates Dokument veröffentlich wurde. (Auf Vinyl damals allerdings nur auf dem audiophilen Label Classic Records, in strikter Limitierung und heute kaum noch zu bezahlen.) Die Band, die der Meister da zusammengestellt hatte, bestand u.a. aus T-Bone Burnett, Bob Neuwirth, David Mansfield und Mick Ronson und war nicht nur grundsätzlich phantastisch, sondern auch noch ganz offenbar mit absoluter Begeisterung bei der Sache. Die rockten, als gäb’s kein Morgen. Das Dylan-typische Umdeuten des eigenen Werkes trieb bei dieser Mannschaft besonders schöne Blüten; etwa bei „It Ain’t Me, Babe“ und „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“. Doch auch das 1975 aktuelle Repertoire erfuhr ziemlich definitive Interpretationen – „Hurricane“ etwa ist schlicht atemberaubend. Der Violinistin Scarlet Rivera möchte man anschließend um den Hals fallen! Nicht weniger überragend sind allerdings die akustischen Songs. Immer wieder erstaunt es, was der von Ignoranten als „Nicht-Sänger“ bezeichnete Dylan alles mit seiner Stimme machen konnte: Für das, was er mit „Mr. Tambourine Man“ oder „It’s All Over Now, Baby Blue“ hier anstellt, greift der kaum übersetzbare Begriff „crooning“ ziemlich gut… Und dann sind da noch die Duette mit Joan Baez. Das mit dem „Traumpaar des Folk“ war zwar schon längst Geschichte, und Baez hatte die ganze Angelegenheit auf ihrem damals aktuellen Album „Diamonds & Rust“ auch gerade ziemlich deutlich aufgearbeitet – die musikalische Kooperation war aber immer noch jederzeit für eine Sternstunde gut. „I Shall Be Released“ ist zum Beispiel eine. Und „Blowin‘ In The Wind“ versöhnt einen mit all den fürchterlichen Lagerfeuer-Versionen, die man je über sich ergehen lassen mußte… Ganz zum Schluß gibt’s noch eine herzerweichende Fassung von „Knockin‘ On Heaven’s Door“, mit einem Gastauftritt von Roger McGuinn. Danach hört man am selben Abend am besten nichts mehr. – Die Vinyl-Neuausgabe aus dem Hause Sony Music wird (wie oben erwähnte Erstausgabe) von einem 64seitigen Booklet begleitet! (2003/2019)