Rezension

Musiker, die solche Platten machen, haben in der Regel große Abstände dazwischen. Aber Julia Holter legt nun bereits das dritte Großwerk innerhalb von drei Jahren vor. Es ist ihr wohl zugänglichstes bislang, dabei aber kein bißchen weniger ambitioniert als die Vorgänger „Tragedy“ und „Ekstasis“. Musical und Free Jazz, Joni Mitchell und Laurie Anderson: Es gibt kaum eine Quelle, aus der Holter nicht zu schöpfen wüßte. Anders als manche Kollegin verfügt sie bekanntlich über eine Stimme, die dem Ohr wunderbar schmeichelt, ohne dabei in die Niedlichkeitsfalle zu tappen – und damit kann sie jederzeit auch gewagte Avantgarde wie einen Frühlingsspaziergang erscheinen lassen. Auf den Punkt gebracht: man frißt ihr aus der Hand. „Loud City Song“, ein Konzeptalbum, das sich lose an die „Gigi“-Novelle der französischen Autorin Sidonie-Gabrielle Colette und ihre diversen Bearbeitungen für Bühne und Film anlehnt, enthält wunderschöne Melodien zu Hauf – und so vielfältige wie kunstvolle Arrangements für kleine Bläser- und Streicherbesetzungen. Wenn das Spätwerk Scott Walkers die dunkle Seite einer Medaille ist, dann ist dies wohl die helle. Julia Holter jedenfalls erweist sich spätestens hiermit endgültig als Großkünstlerin. (2013)