Rezension
Im Amerika des Jahres 1962 war dieses Album eigentlich vor allem eines: Eine Unverschämtheit. Natürlich hatten die Rock’n’Roll-Kids schon vorgemacht, was man aus Country-Musik zaubern konnte, aber die waren wenigstens weiß. Ray Charles hatte zwar in den aufgeklärteren Landesteilen auch ein breites weißes Publikum; er hatte ja in seinen Atlantic-Jahren doch etliche richtig große Hits gehabt. Die hatten ihn dahin gebracht, daß er mit seinem neuen Label ABC/Paramount einen Plattenvertrag aushandeln konnte, der ihm völlige künstlerische Freiheit ließ. „Modern Sounds…“ war die Konsequenz daraus: Den Labelchefs muß damals ganz schön warm geworden sein. Aber statt wütender Rassisten, die die Paramount-Zentrale stürmten, stürmte das Album – und zwar die Charts, mit einer Single-Auskopplung nach der anderen! Denn Ray Charles hatte die heiligen Kühe von Floyd Tillman, Don Gibson, Eddy Arnold und Hank Williams nicht einfach in den Soul-Stall überführt, sondern sich auch noch Arrangements schreiben lassen (die schnelleren Big Band-Nummern von Gerald Wilson und Gene Thompson; die Balladen tragen die Handschrift von Marty Paich), die keinen ernsthaften Widerspruch zuließen: Wer hier gemäkelt hätte, hätte sich schlicht lächerlich gemacht! – Limitierte Ausgabe auf blauem Vinyl. (1962/2022)