Rezension
Der sogenannte Spiritual Jazz jener Ära war fast immer eine Sache von Ensembles meist jenseits der Quintett-Stärke. Reine Klavier-Alben sind in diesem Subgenre kaum bekannt, weswegen dieses hier auch geradezu mythischen Ruf besitzt. Zum Stichwort „spirituell“: Auch dem überzeugtesten Atheisten muß es so vorkommen, als würde der Pianist hier von einer nicht-irdischen Kraft durchströmt, man mag sie „göttlich“ nennen oder sonstwie. Cowells Spiel (gleich, ob auf akustischem oder elektrischem Instrument) scheint vollkommen frei zu fließen, man meint, einem natürlichen Organismus beim Wachsen zuzuhören. Wem es gelingt, sich der hypnotischen Erfahrung vorübergehend zu widersetzen und analytisch zu hören, wird feststellen, daß diese Musik gleichermaßen eng mit spätem Coltrane wie mit den tiefsten Wurzeln des Jazz, Blues und Gospel nämlich, verwandt ist. Ein außergewöhnlicher Stern am Klavier-Jazz-Himmel, nicht weniger hell leuchtend als, sagen wir, Keith Jarretts „Köln Concert“. (1974/2021)