Nach dreijähriger Pause rauften sich die ungleichen Partner Dinger und Rother wieder für ein Album zusammen. Man hört gut, wie weit sich die Charaktere mittlerweile voneinander entfernt haben: Hier der Ambient-Pionier Rother, da der rockistische Dinger. So ist „Neu! 75“ denn eine Weiterentwicklung in zwei grundverschiedene Richtungen. Seite Eins ist vor allem der Rother-Vision neuer Popmusik gewidmet; „Isi“ knüpft dabei nochmals ans Debüt an, das melodieselige und detailverliebte „See Land“ weist bereits auf spätere Rother-Produktionen hin, „Leb‘ Wohl“ schließlich ist eine Art Symphonie in weißem Rauschen. Ganz anders Klaus Dingers Hälfte des Albums, bei der ihn sein Bruder Thomas und Schlagzeuger Hans Lampe unterstützten (so konnte Dinger Gitarre spielen): „Hero“ ist Proto-Punk reinsten Wassers. Der pulsierende Beat und damit der Bezug zum bisherigen Werk ist trotzdem da, aber diese Musik ist mit dem New Yorker Underground der Zeit wesentlich enger verwandt als mit allem, was sich gleichzeitig in Deutschland abspielte – und wir sprechen von echtem Underground, denn Breitenwirkung bekam derartiges auch jenseits des Ozeans erst mindestens zwei Jahre später! „E-Musik“ ist eigentlich der quintessentielle Track des Albums: Da gehen beide Extreme am besten zusammen, bevor das Album mit dem wiederum lärmenden „After Eight“ zu Ende geht. Man wundert sich nicht, daß danach lange nichts kommen konnte. Wozu auch, man hatte die Zukunft ja über Jahre hinaus definiert, und das gleich doppelt. (1975/2010)