Rezension

Mit 70 Jahren zog die Sängerin Bilanz: „Over The Years“ ist ein autobiographisches Album, auf dem Abbey Lincoln Stücke auswählte, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielten. Zwar sind natürlich auch eigene Kompositionen darunter, doch auch einiges Repertoire, mit dem man sie eher nicht direkt assoziieren würde – etwa „When The Lights Go On Again“, ein Pop-Hit aus dem Jahre 1943, der die Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende zum Ausdruck brachte, das Folk-Traditional „Blackberry Blossoms“ (zu dem Lincoln neue Lyrics verfasste) oder die Musical-Nummer „Happy To Be Me“. Die Patina auf Lincolns Stimme macht all diese Songs (auch eine wunderbare Version von „Windmills Of Your Mind“!) zu berührenden Erlebnissen. Begleiten ließ sie sich vor allem von wenig bekannten, doch exzellenten jungen Musikern der New Yorker Szene wie Pianist Brandon McCune und Drummer Jaz Sawyer; es gastieren aber auch Stars wie Joe Lovano und Trompeter Jerry González. Der am meisten unter die Haut gehende Moment dürfte dennoch derjenige sein, der Lincoln ganz alleine gehört: Am Schluß des Albums singt sie a capella „Tender As A Rose“, wieder ein Song aus ihrer frühen Jugend, geschrieben vom heute kaum noch bekannten Pianisten und Swing Band-Leiter Phil Moore. – Erstmals auf Vinyl. (2000/2023)